Auf dem Programm stand zunächst einmal am Freitag der MTB-Bikepark in Sachsbachwalden. Nachdem sich die 6-Truppe (siehe Foto von links nach rechts: Dominik Prütting, Jens Thielke, Reinhard Krammel, Karl Früh, Frank Dewald, Christian Prütting) in einem Gasthof auf der Sommerterrasse mit herrlichem Blick auf das Rheintal zusammengefunden und sich an einem Flammkuchen gestärkt hatte, ging es zunächst einmal daran das Material zu sichten. Manche hatten zwei MTBs dabei. Einem etwas einfacheren, im Radkosmos nicht im Zentrum stehenden Gemüt, erschließt sich der Sinn dieses Unterfangen nicht sofort: Man kann doch nur mit einem Rad fahren und irgendwie sehen die MTB-Radl dann doch alle ähnlich aus. Die Auflösung der „Wundertüte“ gab es dann die folgenden Tage. Nur so viel vorneweg: der Radkosmos ist unendlich, die Kombinationsmöglichkeiten erinnern an ein Lottospiel. Die richtige Kombi zum entsprechenden Anforderungsprofil Gelände zu finden ist das KÖNNEN in diesem Sport.
Nun ging‘s los. Den zu bezwingenden Trail fest im Fokus. Zunächst einmal hochkurbeln, den inneren Sch….. überwinden. Oben angekommen standen wir dann alle ehrfürchtig unter dem Schild: ALPIRSBACHER TRAIL. Daneben ein junger Mann in Vollmontur. Er fragte uns dann, ob er mit uns fahren darf, da seine Mama nicht möchte, dass er allein fährt – irgendwie süß, die Frage kam unerwartet. Nun wurde Hackordnung für die nächsten Tage festgelegt: Also wer fährt zuerst und wer kommt danach. Ein spannender Prozess: wenig Worte, die entscheidende Signale werden über Gestik/Mimik übermittelt. Schwups, kurzer Anlauf und man ist drauf auf dem Trail. Auf dem Trail ist man allein. Das Ziel ist unten heil anzukommen. Man sollte sich vorher nicht zu viele Ratschläge von anderen einholen, wie man am besten runterkommt. Für den einen ist die Strecke ein Kunstwerk, welches für Adrenalinschübe sorgt, für den anderen ein Überlebenskampf in der Geröllwüste. Auf jeden Fall HAMMER! Unten dann alle heil angekommen. Und, was soll das? Irgendwas hat man erfahren: Über sich selbst. Wahrscheinlich das eigentliche Ziel der Unternehmung. Dann, ab zur Quelle. Das Wort ALPIRSBACHER steht nun auf einer Speisekarte – angenehmes Gefühl. Sofort wussten wir alle: Ja, das ist unser BIER – zumindest für die nächsten drei Tage. Der Abend klang gemütlich im Biergarten aus. Auf der anderen Seite des Rheintals in einem schon fremden Land die Schattierungen der Vogesen erkennbar. Was könnte man wohl dort alles mit dem Rad erleben?
Abends dann noch rüber über den Schwarzwald in Richtung Freudenstadt zu unserer Unterkunft in Baiersbronn. Die größte Gemeinde im Ländle und bekannt als Mekka für Mountainbiker. Letztendlich ein großes Dorf. Unglaublich, was man in kurzer Zeit alles über das Dorfleben erfahren kann bzw. wie man Teil davon wird. Alle Zutaten für einen guten Krimi waren vorhanden. Da gab es die Ulli, die Wirtin der Bahnhofskneipe. Total nett, fast ein wenig zu viel. Sie hatte viel Freude an uns konsumfreudigen Bayern. Man könnte bei ihr Musikwünsche abgeben und sie reichte unaufgefordert Nüsse und Chips. Sie wusste von allen am meisten. Dann die Frau von der Rezeption mit ihrer unersättlichen Neugier. Sie gab uns die Rolle, die wir in den nächsten Tagen zu spielen hatten. Nun hatten wir einen Auftrag, den es zu erfüllen galt. Wir wurden von ihr instruiert in der Bahnhofskneipe Ullis Wissen „anzuzapfen“. Der Alkoholkonsum gehörte jetzt zur Tarnung. Gegenüber der Hauptstraße, neben dem 24h–Fitnessstudio, der Edelweinladen mit italienischer Stammbelegschaft. Wer geht eigentlich nachts um halb vier ins Fitnessstudio? Im Weinladen wird uns ein Sizilianer angepriesen. Wir nehmen gleich die ganze Flasche. Ein fruchtiger Wein, wahrscheinlich eine gute Wahl. Der Anpreiser versichert uns das Weinladen super läuft. Vielleicht ein zukünftiger Sponsor des Trails: „Siciliano: Himmel und Hölle – die Entscheidung liegt bei dir!“. Wir sind an diesem Abend die einzigen Gäste. Der Betreuungsschlüssel in dem Lokal ist ideal – auf einen Gast kommt eine Servicekraft. Wie gesagt, wir sind zu sechst. Irgendwann bekommen wir eine dimmbare Lampe „Made in China“. Im Hintergrund flimmern im Lokalinneren auf einem etwas überdimensionierten TV Urlaubsbilder aus dem Mittelmeerraum. Irgendwann geht der Anpreiser mit seiner Freundin einfach nach Hause. Er hat eine Flasche Wein in der Hand. Wir sitzen noch draußen, die Lampe schon etwas hochdimmt. Der Weinladen ist irgendwie verbandelt mit der Pizzeria im Ortsinneren. Wir waren dort vorher Essen. Es werden Pizzen auf viel zu kleinen Tellern serviert. Warum macht man so was? Vielleicht kommt einem die Pizza noch viel größer vor. Wie sich die Verbindung zwischen der Pizzeria und der Edel-Weinhandlung genau gestaltet, überfordert uns an diesem Abend. Um Licht ins Dunkle zu bekommen, müsste man rüber zur Ulli in die Bahnhofskneipe gehen. Die Kneipe hat leider geschlossen. Die Weinflasche ist jetzt fast leer getrunken, da kommt die Frau von der Rezeption um die Ecke und möchte ….. . Ne, dass stimmt jetzt nicht – zu mindestens nicht das Letztere.
Kurzum, es fällt eigentlich nur eines: eine LEICHE.
Eigentlich sind wir zum Mountainbiken da. Am Samstag ist das Wetter wechselhaft, wir werden etwas nass. Die Trails bleiben anspruchsvoll und bewegen sich etwa auf dem Niveau des Biertrails vom Vortag. Nun sind die Rollen auch beim Berganstieg verteilt. Nach der Kehre, kommt immer noch eine Weitere. Es zieht sich. Die E-Bikefahrer sind jetzt im Vorteil. Ja, es gibt ihn, den gehässigen Blick rüber zu „Ihm/Ihr“ beim leichten Vorbeigleiten im letzten Drittel des Berganstieges. Ist der E-Biker, die E-Bikerin ein vollwertiger Radfahrer? Diese Frage können wir hier nicht klären. Wir müssen zu mindestens anerkennen, dass er vor uns oben ist. Und „oben“ anzukommen, das ist auch das Ziel unserer Bemühungen. Eine Grundvoraussetzung dafür, um nachher im Trail bestehen zu können. Am Sonntag bessert sich das Wetter wieder. Wir sind in einer herrlichen Schwarzwald-Märchenwelt unterwegs – und der Liebe Gott schaut von oben (wo wir irgendwo ja auch hinwollen) wohlwollend herunter. Die Alleen ziehen sich schattig hinauf, die Trails werden etwas flowiger. Das Geröll weicht einem teppichartigen mit Nadeln durchtränkten dunklen Boden. Die Akrobaten werden nun abgelöst und die Speedfahrer kommen jetzt voll zur Geltung. Kehren und Schanzen sind auf der Strecke eingebaut. Gerade beim Schanzen erkennt man den Könner. Nur so viel: Nicht alle von uns gehören dazu. Der Montag ist der Sonntag im Kleinen. Wir fahren eine Runde um das Kloster Reichenbach und sind irgendwo im Nadelwald versteckt. Und es ist eigentlich wie immer: Es geht rauf und runter. Insgesamt haben wir 3100 Höhenmeter bewältigt. Auch so ein MTB-Spezifikum, Kilometer sind uninteressant. Zum Abschluss kehren wir uns zum Mittagstisch im Cafe am Eck ein. Es ist viel los – wir werden zu unseren Plätzen eingewiesen. Zum Straßburger (eigentlich der Schweizer) Wurstsalat trinken wir ein alkoholfreies Weizen mit einem bananigem Geschmack. Das schmeckt super – mindestens eine Trail-Benennung wert. Danach noch einen großen Pott Kaffee mit einem leckeren Kuchen. Abgenommen hat niemand – komisch, bei so viel Verbrennungsarbeit. Manche Rätsel bleiben ungelöst.
Kurz vor der Abfahrt kommt uns die Frau von der Rezeption entgegen. Blitzschnell wird uns allen klar, welche Nachricht sie uns nun umbringen wird: „Hab‘s schon ghört, a Mord bei uns im Dorf, heut‘ Nacht – der Fall isch no ungeklärt“.
Mehr enttäuscht als erleichtert waren wir, als sie freundlich darauf hinwies, die Getränke aus dem Kühlschrank noch zu begleichen. Die Frage kam auf – und blieb letztendlich auch ungelöst: Haben wir in der Pension auch noch etwas getrunken?
Verfasser: Karl Früh